Treue, Schuld und die Narben des Krieges
Jean-Christophe Rufins Roman "Das rote Halsband" spielt im Frankreich des Sommers 1919 – in einer Zeit, in der die Narben des Ersten Weltkriegs noch tief sind. Im Mittelpunkt steht der Soldat Morlac, ein Kriegsheld, der nun im Gefängnis sitzt. Sein vermeintliches Verbrechen: Er hat seine Ehrenmedaille nicht für sich behalten, sondern sie seinem Hund umgehängt – ein stiller Protest gegen den militärischen Ruhm und die sinnlosen Opfer des Krieges.
Der junge Richter Lantier de Grez, selbst gezeichnet von den Erlebnissen der letzten Jahre, soll über Morlac urteilen. Zwischen beiden entsteht ein stiller, nachdenklicher Dialog über Schuld, Stolz, Pflicht und Menschlichkeit. Während draußen der treue Hund Tag und Nacht vor dem Gefängnis wacht, offenbart sich nach und nach die Tragik einer Generation, die den Krieg überlebt hat, aber den Frieden nicht findet.
Rufin erzählt diese Geschichte mit leisen Tönen und einer fast minimalistischen Sprache. Die Handlung ist reduziert, die Atmosphäre dicht, doch gerade diese Zurückhaltung kann auch Distanz schaffen. Die Figuren – Morlac, der Richter, die wartende Frau – bleiben schemenhaft; vieles bleibt unausgesprochen.
So ist "Das rote Halsband" weniger ein Roman im klassischen Sinn als vielmehr eine Parabel über Treue, Ehre und die inneren Wunden des Krieges. Trotz der berührenden Thematik wollte der Funke bei mir nicht recht überspringen. Die Geschichte berührt, aber sie bewegt nicht. Vielleicht ist ihre Stille zu groß, ihre Andeutung zu zaghaft.
Fazit:
Ein stiller, poetischer Roman über Krieg, Würde und die Treue eines Hundes – atmosphärisch dicht, aber emotional zurückhaltend. Wer feine Zwischentöne liebt, wird hier fündig; wer nach Tiefe und greifbaren Figuren sucht, bleibt ein wenig unbefriedigt zurück.

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