Amnon Weinstein restauriert Geigen.
Sein Vater war einer der ersten Geigenbauer Israels. Zahlreiche
Geigen wurden nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zu Moshe
Weinstein gebracht. Die einstigen Besitzer der Geigen wollten nichts
mehr mit ihnen zu tun haben. Sie haben zwar den Krieg und den
Nazi-Terror überlebt, doch auch ihr Leben nach dem Krieg war eine
einstige Qual – zu sehr haben sie gelitten. Zu sehr wurden sie
gequält, verachtet, gedemütigt. Das unfassbar Erlebte wurde
unterdrückt. Erzählen konnte fast niemand darüber. Man wollte
vergessen und konnte es doch nie. Amnons Familie ist selbst
betroffen. Fast alle Familienmitglieder und einstigen Freunde der
Familie fielen den Nazis zum Opfer. Eines Tages steht Amnon einem
Holocaust-Überlebenden gegenüber. Seine stark demolierte Geige
möchte er für seinen Enkel restaurieren lassen. Amnon Weinstein
entdeckt im Innern der Geige Aschereste. Menschliche Überbleibsel
aus den Krematorien? Es dauert noch ein ganzes Jahrzehnt, bis Amnon
Weinstein sich der ganzen Geschichte gestellt, der Geschichte der
Musik in den Konzentrationslagern.
Marek und sein Bruder Stani werden ins KZ Dachau deportiert, doch Marek gibt die Hoffnung nicht auf. Er will überleben. Er umklammert seinen Geigenkasten – das Einzige, was ihm neben seinem Bruder geblieben ist. Als er seinem Bruder zu Hilfe kommen will, rächt sich Oberscharführer Köcher an ihn. Er zerstört Mareks Geige. Dieser wird zudem zu besonders harten Arbeitsdiensten herangezogen, doch Marek hat Glück. Er hat Fürsprecher und ihm gelingt es, einen Platz im Lager-Orchester zu bekommen, was schließlich seine Rettung ist.
„Die Geigen der Hoffnung“ - ein Buch, das mich nachdenklich und unendlich traurig zurücklässt.
Ein Buch, halb Sachbuch, halb auf wahren Begebenheiten basierende Erzählung.
Christa Roth hat vor Ort bei Amnon Weinstein recherchiert. Hier leben die Geigen wieder auf, die einst in den Lagern gespielt wurden. Hier berichtet jede einzelne Geige in der Werkstatt Amnons Weinsteins von einem Schicksal, von einem Leben. Diese Geigen der Hoffnung gibt es wirklich. Sie werden heute weltweit in berühmten Orchestern gespielt.
Titus Müller erzählt in einfühlsamer Weise die Geschichte von Marek und Stani. Den Häftling mit der Nummer 95101 hat es tatsächlih gegeben. Er hieß in Wahrheit Abram Merczynski. Es ist eine fesselnde und tief bewegende Geschichte. Manches Mal habe ich beim Lesen den Atem angehalten. Zu verstörend der Lageralltag, zu verstörend das für uns unbegreifliche Verbrechen, das dort an den Menschen begangen wurde.
Titus Müller führt den Leser direkt in das Konzentrationslager. Er schildert das Leben der Menschen dort so eindringlich, das man beinahe das Gefühl hat, das Leid dieser Menschen zu fühlen. Ich sage bewusst „beinahe“, denn niemand kann das nachempfinden, was diese Menschen durchmachen mussten. Und doch gab es so ewas wie Hoffnung – die Musik. Die Musik, die auch Marek in Gedanken woanders hinführte, raus aus dem Lager. Mit der Musik konnten seine Gedanken fliegen. Orchestermitglieder bekamen mehr zu essen. Sie mussten fit sein, um am Abend für die SS-Offiziere aufzuspielen. Immer wieder spürt man die Angst. Bloß nicht nachlassen, bloß nicht schwach werden. Kein falsches Wort, kein falscher Blick. Man könnte der nächste sein.
Titus Müller zeigt aber auch, dass es im Lager ein kleines bisschen Menschlichkeit gab. Da ist der Arzt, der die Kranken in Betten im Krankenrevier versteckt hat, damit wenigstens einige überleben konnten. Er erzählt auch, dass junge Leute gezwungen wurden, in die SS einzutreten und in den Lagern ihren Dienst tun mussten.
„Die Geigen der Hoffnung“ - Ein Buch gegen das Vergessen, aufwühlend, tragisch, bewegend. Ein Buch, dessen Geschichte mich immer begleiten wird.
Foto: adeo-Verlag |
Gebundene Ausgabe
208 Seiten
Verlag: adeo
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