Samstag, 5. April 2014

Rezension zu "Himmler privat. Briefe eines Massenmörders" von Katrin Himmler und Michael Wildt

Verstörende Banalität

Heinrich Himmler und Marga Siegroth lernen sich kennen und verlieben sich ineinander. Sie fangen an sich zu schreiben. Sie schreiben sich auch noch, als sie längst verheiratet sind und Heinrich Himmler Karriere macht im NS-Regime. Wenn er von Hitler schreibt, so spricht er immer vom "Chef". Marga redet er immer mit "Meine allerliebste kleine Frau" an. Sie wiederum nennt ihn "Mein liebes Liebchen". Die Briefe zwischen den Eheleuten, sie vermuten bisweilen verwirrend naiv und kleinbürgerlich an. Sie schreiben sich Nichtigkeiten, Alltägliches. Gäbe es zwischendurch nicht immer wieder die erklärenden Kommentare der beiden Autoren sowie zahlreiche Fotos, so könnte man meinen, man würde lediglich die privaten, eher harmlosen Briefe eines Ehepaares lesen. Briefe, die sie fast täglich geschrieben und sogar nummeriert haben. Heinrich und Marga Himmler schreiben sich über die Jahre hinweg. Sie schreibt ihm auch in gleicher Weise weiter, obwohl er längst eine Zweitfrau hat, eine so genannte Friedelfrau. Marga konnte nach der Geburt ihrer Tochter keine weiteren Kinder bekommen, doch Himmler wollte Kinder, viele Kinder für den Führer, für das Reich.
Dank der Kommentare erfährt der Leser beinahe nebenbei von der Ermordung von Millionen von Menschen. Es wird mobil gemacht für den Endsieg, für die Reichsverteidigung. Marga hilft immer wieder beim DRK mit, während ihr Mann weiter die Karriereleiter erklimmt. Er schickt der Familie immer wieder kleine Pakete. Es mangelt ihnen an nichts, während die Bevölkerung leidet, während das Morden weitergeht. Aus den Briefen erfährt man wenig über diese grausame Zeit. Die Briefe klingen banal, eher nichtssagend. Die Alliierten beginnen mit den Flächenbombardements. Die Bevölkerung erleidet schlaflose und angsterfüllte Nächte. Überall Leichen, Brände, Trümmer. Die Luftschlacht um Berlin. Die Rote Armee rückt vor. Millionen Menschen sind auf der Flucht. Todesmärsche, Vertreibung. Wer nicht mithalten konnte, wurde erschossen oder starb vor Erschöpfung.
Himmler zieht sich immer öfter krank zurück. Schließlich wurde er abgesetzt. Als er endlich von den Briten verhaftet wird, setzt er seinem Leben durch eine Giftkapsel im Mai 1945 ein Ende. Seine Frau Marga und seine Tochter Gudrun wurden interniert.

"Himmler privat. Briefe eines Massenmörders" - dieses Buch ist keine leichte Kost. Es macht fassungslos, es ist verstörend. Ein Briefwechsel zwischen Eheleuten, der an Banalitäten nicht zu übertreffen ist, während Mord und Brutalität an der Tagesordnung waren. Das Bild eines kleinbürgerlich anmutenden Mannes, der zum Vollstrecker eines unsagbaren Massenmordes wurde. Ein Buch, das eine nachdenkliche Leserin hinterlässt.



Gebundene Ausgabe, 400 Seiten
Verlag Piper
24,99 €


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