Anzeige/Werbung
Anita Lasker-Wallfisch hielt Ende Januar 2018 eine Gedenkrede vor dem Deutschen Bundestag. Anlass war der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus zur Erinnerung an den Tag der Befreiung des deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz durch sowjetische Truppen am 27. Januar 1945.
In einem Zeitungsartikel bin ich auf ihr Buch, auf ihre ganz persönliche Geschichte gestoßen. Ich habe in den letzten Jahren viel zu dem Thema gelesen und doch erschüttert mich jedes einzelne Schicksal aufs Neue. Es gibt Sätze in diesem Buch, die machen den Leser sprachlos. So viel Leid, so viel Entsetzen. Ein Grauen, das uns heute unvorstellbar scheint.
Anita Lasker, ihre Eltern und ihre zwei Schwestern wurden in Breslau geboren, sind dort groß geworden, haben dort gelebt, doch sie sind Juden. Die Familie wird deportiert. Während die Eltern sofort in die Tötungsmaschinerie in Auschwitz geraten, kommen Anita und ihre Schwester Renate ins Gefängnis. Gefängnis bedeutete damals Überleben. Vorerst. Die ältere Schwester Marianne konnte rechtzeitig nach Großbritannien fliehen. Doch auch Anita und Renate bekommen eines Tages den Befehl, alle Habseligkeiten zu packen. Sie werden deportiert. Nach Auschwitz. Sie werden getrennt.
Anita kann sich retten, weil sie Cellistin ist. Musikerinnen werden immer wieder gebraucht für das Mädchenorchester im KZ. Die Mädchen und Frauen müssen muntere Lieder spielen, wenn neue Menschentransporte ankommen. Anita wird Zeugin der direkten Selektionen. Die einen direkt in die Gaskammern, die anderen in die Baracken. Als die Nazis mit den Töten in den Gaskammern nicht mehr nachkommen, werden Kinder und Erwachsene einfach lebendig in die Öfen geschmissen.
Anita und Renate überleben das Grauen, werden nach Bergen-Belsen transportiert. Ein Überleben mit Hunger, Dreck und Krankheit, doch sie überleben. Über einen Umweg über Belgien, gelangen die beiden jungen Frauen nach der Befreiung nach England. Anita Lasker-Wallfisch hat sich geschworen, nie wieder einen Fuß auf deutschen Boden zu setzen.
"Ihr sollt die Wahrheit erben - Die Cellistin von Auschwitz" - es ist ein sehr persönliches Buch, sehr intensiv, sehr berührend. Anita Lasker-Wallfisch hatte nie vorgehabt, über ihr Erleben, über ihr Überleben zu sprechen und zu schreiben. Sie wollte ihre Kinder nicht mit ihrer Geschichte belasten. Dennoch schrieb sie ihre Geschichte für ihre Kinder und Enkel auf. Es wurde mehr daraus. Ihren Schwur, nie wieder deutschen Boden zu treten, hat sie gebrochen. Noch heute, im hohen Alter, spricht sie vor jungen Menschen, vor Schulklassen. Sie spricht gegen das Vergessen.
Ich musste beim Lesen immer wieder Pausen einlegen, das Gelesene sacken lassen. Wie kann ein Mensch ein halbwegs normales Leben führen, der das Grauen von Auschwitz und Bergen-Belsen überlebt hat? Wer dieses Buch gelesen hat, wird es nicht wieder vergessen.
Taschenbuch
253 Seiten
Verlag: Rowohlt Taschenbuch Verlag
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen