Liebe Lesezeit-Leserinnen und -Leser,
am vergangenen Montag hatte ich einen ganz
besonderen Termin, einen Termin in der Stadtbücherei
auf der Springe in Hagen.
Hier durfte ich die Fachdienstleiterin, Frau Andrea Steffes und ihre Mitarbeiterin Andrea Honickel interviewen.
Es sind zwei sehr, sehr interessante Interviews geworden, zwei besondere Interviews. Warum? Weil ich diesmal zwei wunderbar nette Frauen interviewen durfte, die keine Bücher schreiben, sondern die mit Büchern arbeiten, die für die Bürger und Bürgerinnen in der Stadt da sind, doch lest einfach selbst!
Frau Steffes, Sie sind Fachdienstleiterin der Stadtbücherei in
Hagen. Was
genau ist Ihr Job und was ist das Besondere an der Arbeit in einer
Stadtbücherei?
Mein
Job ist sehr vielfältig und abwechslungsreich, ich muss den „Laden“
am Laufen halten: z. B. durch konzeptionelle Arbeit, Organisation,
Personalführung, Veranstaltungen und sonstige
Öffentlichkeitsarbeit, Kontakt mit der Verwaltung, Vertretung der
Stadtbücherei in politischen Gremien, Vernetzung mit anderen
Kultur- und Bildungseinrichtungen. Daher wird meine Arbeit nie
langweilig!
Wieviel Mitarbeiter hat die Stadtbücherei in Hagen?
34
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 2 Auszubildende für den Beruf
„Fachangestellter für Medien und Informationsdienst.
Die beliebtesten Bücher: Neuerscheinungen? Oder doch eher die
Klassiker und ältere Titel?
Die
neuen Bücher, insbesondere Romane, laufen am Besten. Aber auch
Klassiker und ältere Titel sind gefragt.
Gibt es auch fremdsprachliche Titel?
Es
gibt Romane in Englisch, Französisch, Russisch, Spanisch und
Türkisch.
Kann ich außer Büchern noch etwas anderes ausleihen?
Ja,
eine Reihe anderer Medien wie Kinder-CDs, Zeitschriften, Sach-DVDs
und Sach-CD-ROMs, Spielfilme auf DVD, Musik-CDs, Noten, Sprachkurse,
Wii-Spiele, PS3-Spiele, Medienboxen zu bestimmten Themen,
Medientaschen für die Seniorenarbeit, Bilderbuchkinos, Klassensätze
für Schulen, E-Books.
.
Haben Sie selbst einen Lieblingsautor? Ein Lieblingsbuch?
Sehr
gern lese ich die Romane von John Irving, mein Lieblingsbuch von ihm
ist „Witwe für ein Jahr“. Aber mein absolutes Lieblingsbuch ist
von Jane Austen: „Stolz und Vorurteil“, das habe ich auch schon
mehrfach gelesen und liebe die BBC-Verfilmung dieses Romans.
Welches Buch liegt bei Ihnen gerade auf dem Nachtisch?
Der
neue Roman von Michael Hjorth und Hans Rosenfeldt: „Die Menschen,
die es nicht verdienen“, der fünfte Fall für den
Kriminalpsychologen Sebastian Bergman.
Die Lesekultur wandelt sich. Ich selbst besitze einen E-Reader,
benutze ihn eigentlich aber nur im Urlaub. Ich liebe es, ein Buch zu
öffnen, in den Seiten zu blättern. Was halten Sie selbst von
E-Books?
Auch
ich besitze einen e-book-Reader, lese aber auch weiterhin viele
gedruckte Bücher. Ansonsten sind e-books eine wunderbare
Möglichkeit, mit Büchern und anderen e-Medien „unterwegs“ zu
sein, ob in Bus und Bahn oder im Urlaub. Und unsere Stadtbücherei
hat jetzt eine „virtuelle Filiale“, die 7 Tage in der Woche 24
Stunden geöffnet hat. Das ist doch prima für alle, denen am Abend,
am Samstagnachmittag oder am Sonntag der Lesestoff ausgegangen ist.
Oder für Schüler, die noch schnell am Wochenende Infos für ein
Referat brauchen.
Welchen Stellenwert hat Literatur für Sie ganz persönlich?
Von
Loriot gibt es das Bonmot: „Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber
sinnlos“. So sehe ich das auch für Bücher und Literatur.
Es gibt den Beruf des Bibliothekars und des Fachangestellten für
Medien- und Informationsdienste. Gleicher Job, neue Bezeichnung oder
worin liegt der Unterschied?
Der
Unterschied liegt im Bildungsweg: Bibliothekare haben an einer
Fachhochschule studiert und nehmen daher bibliothekarische Aufgaben
wahr wie Auskunfts- und Beratungsdienst, Bestandsaufbau,
Bestandserschließung, Öffentlichkeits- und Veranstaltungsarbeit.
Fachangestellte für Medien und Informationsdienste (frühere
Bezeichnung: Bibliotheksassistent) haben eine Ausbildung in der
Stadtbücherei absolviert, arbeiten viel im Kundenbereich,
unterstützen die Bibliothekare in ihrer Arbeit, übernehmen
Verwaltungsaufgaben und üben eine Reihe praktischer Tätigkeiten
aus.
Welche Besonderheiten und welche Entwicklungsmöglichkeiten sehen
Sie für unsere Stadtbücherei?
Unsere
Stadtbücherei ist eine Bildungs-, Kultur- und Freizeiteinrichtung,
ein niederschwelliger, generationenübergreifender Treffpunkt für
alle Hagenerinnen und Hagener. Als sogenannter „Dritter Ort“
(neben Zuhause und Arbeitsstätte) sind wir ein nichtkommerzielles
Forum für Wissen, Lernen, Kommunikation und Begegnung. Diese
Funktion wollen wir weiterhin stärken und jetzt und zukünftig
einen unverzichtbaren Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität
in Hagen leisten.
Ihr ganz persönlicher Tipp. Welches Buch sollte man unbedingt 2015
gelesen haben?
Dörte
Hansen: Altes Land. Meine volle Empfehlung.
Liebe Frau Steffes, herzlichen Dank für das wunderbare Interview und dass Sie sich so viel Zeit für die Fragen, Antworten und die Fotos genommen haben!
Liebe Lesezeit-Leserinnen und -Leser,
und nun darf ich Euch Andrea Honickel vorstellen, eine der zahlreichen Mitarbeiterinnen der Stadtbücherei in Hagen. Andrea und ich kennen uns jetzt schon viele Jahre, haben wir doch sogar eine gemeinsame Zeit beim damaligen Kulturamt der Stadt Hagen verbracht. Von Andrea habe ich viel gelernt, was Veranstaltungsplanung und -organisation angeht.
Doch jetzt seid gespannt, was sie zu ihrer Arbeit in der Stadtbücherei zu sagen hat.
Was ist deine genaue Aufgabe
hier bei der Stadtbücherei und überhaupt, was ist für dich
persönlich das Besondere an der
Arbeit in der Bücherei?
Auch wenn ich einen Grundkurs
„Bibliothekarisches Grundwissen“
an der FH in Köln absolviert habe, übe ich doch (fast)
keine Arbeiten dahingehend aus. Eine
Ausnahme gibt es. Das sind die Zeiten, wo ich 2
Stunden täglich als Mitarbeiterin an
den Informationstheken Besuchern und Nutzern helfe,
die gewünschten Medien zu finden. Das
war ein ganzes Stück Arbeit das zu lernen, , denn
bei über 200.000 Medien und oft sehr
speziellen Fragen z.B. zum Quilten, zum Text der
Amerikanischen Verfassung, zur
Facharbeit als Erzieherin, zum aktuellen Mietrecht , wie
man sich am besten bewirbt oder zum
letzten Roman der Autorin XY …. Da komme ich doch manches Mal ins Schwitzen. Aber wir
haben so nette Kunden, gemeinsam finden wir alles.
Meine Aufgabe bezieht sich auf all
das, was nichts mit Büchern oder anderen Medien zu tun
hat, aber doch alles mit der
Zentralbücherei auf der Springe. Nach Absprache erarbeite ich
Konzepte, tummel mich in Fördertöpfen,
denke mir alle möglichen Maßnahmen aus, wie die
Bücherei als ein Ort wahrgenommen
wird, der viel mehr ist, als der Ort an dem man Bücher
ausleiht. Durch Salsa- Abende oder
Weinproben locken wir auch Besucher ins Haus, die
vielleicht noch nie einen Fuß in die
Bibliothek gesetzt haben.
Arbeiten in der Bücherei. Manch
einer stellt sich das bestimmt als Paradies vor. Jeden Tagvon Büchern umgeben sein. Lesen
während der Arbeitszeit oder ist die Arbeit eine ganze
andere? Bei vielen Aktionen erkenne
ich deine ganz persönliche Handschrift. Ähnlicher Job
wie damals beim Kulturamt oder doch
ganz anders?
Nein, während der Arbeitszeit ist
nicht ein Minütchen Zeit zum Schmökern. Die Bibliothekare
müssen natürlich ständig
entscheiden, ob dieses oder jenes Buch in den Bestand
aufgenommen wird und lesen viele
Rezensionen oder Empfehlungen. Aber ich mache das
(leider) nicht. Wie gesagt, ich
verstehe meine Aufgabe mehr darin, die Stadtbücherei in den
unterschiedlichsten Zusammenhängen
ins Gespräch zu bringen, und mir viele kleine
Puzzlesteine zu überlegen, den
Besucher über die Presse, Radio Hagen über unseren
monatlich erscheinenden Newsletter und
vor allem über Veranstaltungen von unserem
Angebot und unseren wunderschönen
Räumlichkeiten zu überzeugen. Für unseren
Geschmack wissen zu wenige, welches
Potential unsere Musikbücherei hat, mit
Schellackschätzchen und
brandaktuellen MusikCDs, Jazz, Oper, Blues, Pop, Rock. Für
jeden Geschmack ist was dabei. Aber
was besonders toll ist: zwei Bibliothekare mit einer
Zusatzausbildung Musik sind ein
ungeheures kenntnisreiches Pfund, mit dem die
Stadtbücherei seit einigen Monaten
besonders wuchert. Das Netzwerk Musik bringt zur Zeit
das geballte Hagener Musikleben unter
einen Hut. Da findet schon jetzt ein reger Austausch
statt, Ensembles kommen zu uns wenn
sie Hilfe brauchen, verlegen ihre Chorproben
öffentlich mitten auf einen Samstag
in unsere Musikbücherei, machen
Einführungsveranstaltungen zu ihren
Chorkonzerten bei uns…. Mag sein, dass hier der
Klassiker in der Kulturarbeit
hervorblitzt.

Welche Bücher würde ich bei dir
Zuhause im Bücherregal vorfinden?
Ich habe 80 Prozent meiner Bücher in
gute Hände abgegeben. Bei mir zuhause findet man
nur noch Ratgeber, Kunstbände,
Reiseberichte, sonstige Bildbände und ganz besondere
Bücher, mit denen ich eine
persönliche Geschichte oder einen besonderen Menschen
verbinde. Ansonsten bin ich der beste
Kunde beim Kinderbuchtrödel. Kein Wunder bei
inzwischen drei Enkeln. Da muss
immer reichlich Nachschub her.
Aber ich kann auf meiner
Arbeitsstelle aus dem Vollen schöpfen. So alt kann ich gar nicht
mehr werden, all das zu lesen, was
mich interessiert. Aber im Regal bei mir zu Hause muss
ich die nicht mehr alle stehen
haben.
Welches Buch hat dich als Kind
oder Jugendliche besonders in seinen Bann gezogen?
Tatsächlich hatte ich als
Jugendliche den ersten absoluten Flow bei Leon Uris „Exodus“
der
„Unendlichen Geschichte“ von
Michael Ende und „Herr der Ringe“ von Tolkien.
Welches Buch liest du aktuell?
Ich bin eine leidenschaftliche
Krimileserin, aber bitte nur die aus dem Norden. Zur Zeit
befinde ich mich im Anne Tyler
Himmel, und versuche alles zu lesen, was sie geschrieben
hat. So einfühlsam, ein wenig
ironisch, genau beobachtend und so zum Glück nicht eine
Minute langweilig.
Der persönliche Kontakt zu
Autoren. Gibt es den in einer Stadtbücherei?
Aber ja. Ich bin organisatorisch der
Kinderbücherei zugeordnet. Da hatte ich schon
wunderbare kleine Begegnungen mit
faszinierenden Kinderbuchautoren. Ansonsten haben
wir bestimmt 6 Lesungen pro Jahr für
die organisatorisch und inhaltlich eine andere Kollegin
zuständig ist. Sabine Heinrich, Jan
Weiler, Wladimir Kaminer, Gregor Weber… das waren
Gäste in diesem Jahr. Auch wenn es
oft bestimmt aufreibend ist, zählen diese Begegnungen sicherlich zu den Höhepunkten im
Berufsalltag.
Was wünschst du dir für die
Stadtbücherei Hagen?
Ich wünsche mir für die Besucher,
dass sie noch mehr als sie es schon tun einfach mal so
ihre Stadtbücherei aufsuchen.
Kaffee trinken, Zeitung lesen, in Büchern schmökern, sich
wohl fühlen, die Stadtbücherei
empfinden als einen Ort, der nicht kommerziell ist, eine hohe
Aufenthaltsqualität hat, zentral
liegt und zum Verweilen einlädt.
Und wenn sie dann noch ein
spannendes Buch ausleihen, umso besser.
Aber das bedeutet, dass ich mir von
den Entscheidern in der Politik wünsche, dass die
Bedeutung der Bücherei für die
Stadt nicht abgelesen wird von reinen Ausleih- und
Nutzerzahlen. Die Stadtbücherei
Hagen ist der zentrale Ort in Hagen, wo Bildung in
jedweder Facette vermittelt wird und
wo innere und äußere Begegnungen ganz unvermittelt
und unverhofft möglich sind. Aus
unserer Sicht ein unverzichtbarer Bestandteil der Kultur-und Bildungslandschaft in Hagen. Daran
darf nicht gerüttelt werden.
Dein ganz persönlicher Tipp.
Welches Buch sollte man unbedingt gelesen haben?
Wie gesagt: Anne Tyler.
Auch dir, liebe Andrea, ganz, ganz herzlichen
Dank für das Beantworten der Fragen!
Liebe Lesezeit-Leserinnen und -Leser,
ich hoffe, Euch hat das neue Interview genauso
viel Spaß gemacht wie mir. Ich entwickele gerade die Idee,
daraus eine Reihe zu machen, eine Reihe
"Menschen und Bücher".