Donnerstag, 17. Dezember 2015

Lesezeit-Spezial!!! Menschen und Bücher. Ein Besuch in der Stadtbücherei Hagen am 14. Dezember 2015

Liebe Lesezeit-Leserinnen und -Leser,

am vergangenen Montag hatte ich einen ganz 
besonderen Termin, einen Termin in der Stadtbücherei 
auf der Springe in Hagen.




Hier durfte ich die Fachdienstleiterin, Frau Andrea Steffes und ihre Mitarbeiterin Andrea Honickel interviewen.

Es sind zwei sehr, sehr interessante Interviews geworden,  zwei besondere Interviews. Warum? Weil ich diesmal zwei wunderbar nette Frauen interviewen durfte, die keine Bücher schreiben, sondern die mit Büchern arbeiten, die für die Bürger und Bürgerinnen in der Stadt da sind, doch lest einfach selbst!




Frau Steffes, Sie sind Fachdienstleiterin der Stadtbücherei in Hagen. Was genau ist Ihr Job und was ist das Besondere an der Arbeit in einer Stadtbücherei?

Mein Job ist sehr vielfältig und abwechslungsreich, ich muss den „Laden“ am Laufen halten: z. B. durch konzeptionelle Arbeit, Organisation, Personalführung, Veranstaltungen und sonstige Öffentlichkeitsarbeit, Kontakt mit der Verwaltung, Vertretung der Stadtbücherei in politischen Gremien, Vernetzung mit anderen Kultur- und Bildungseinrichtungen. Daher wird meine Arbeit nie langweilig!


Wieviel Mitarbeiter hat die Stadtbücherei in Hagen?

34 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 2 Auszubildende für den Beruf „Fachangestellter für Medien und Informationsdienst.


Die beliebtesten Bücher: Neuerscheinungen? Oder doch eher die Klassiker und ältere Titel?

Die neuen Bücher, insbesondere Romane, laufen am Besten. Aber auch Klassiker und ältere Titel sind gefragt.





Gibt es auch fremdsprachliche Titel?

Es gibt Romane in Englisch, Französisch, Russisch, Spanisch und Türkisch.


Kann ich außer Büchern noch etwas anderes ausleihen?

Ja, eine Reihe anderer Medien wie Kinder-CDs, Zeitschriften, Sach-DVDs und Sach-CD-ROMs, Spielfilme auf DVD, Musik-CDs, Noten, Sprachkurse, Wii-Spiele, PS3-Spiele, Medienboxen zu bestimmten Themen, Medientaschen für die Seniorenarbeit, Bilderbuchkinos, Klassensätze für Schulen, E-Books.

.
Haben Sie selbst einen Lieblingsautor? Ein Lieblingsbuch?

Sehr gern lese ich die Romane von John Irving, mein Lieblingsbuch von ihm ist „Witwe für ein Jahr“. Aber mein absolutes Lieblingsbuch ist von Jane Austen: „Stolz und Vorurteil“, das habe ich auch schon mehrfach gelesen und liebe die BBC-Verfilmung dieses Romans.





Welches Buch liegt bei Ihnen gerade auf dem Nachtisch?

Der neue Roman von Michael Hjorth und Hans Rosenfeldt: „Die Menschen, die es nicht verdienen“, der fünfte Fall für den Kriminalpsychologen Sebastian Bergman.


Die Lesekultur wandelt sich. Ich selbst besitze einen E-Reader, benutze ihn eigentlich aber nur im Urlaub. Ich liebe es, ein Buch zu öffnen, in den Seiten zu blättern. Was halten Sie selbst von E-Books?

Auch ich besitze einen e-book-Reader, lese aber auch weiterhin viele gedruckte Bücher. Ansonsten sind e-books eine wunderbare Möglichkeit, mit Büchern und anderen e-Medien „unterwegs“ zu sein, ob in Bus und Bahn oder im Urlaub. Und unsere Stadtbücherei hat jetzt eine „virtuelle Filiale“, die 7 Tage in der Woche 24 Stunden geöffnet hat. Das ist doch prima für alle, denen am Abend, am Samstagnachmittag oder am Sonntag der Lesestoff ausgegangen ist. Oder für Schüler, die noch schnell am Wochenende Infos für ein Referat brauchen.


Welchen Stellenwert hat Literatur für Sie ganz persönlich?

Von Loriot gibt es das Bonmot: „Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos“. So sehe ich das auch für Bücher und Literatur.





Es gibt den Beruf des Bibliothekars und des Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste. Gleicher Job, neue Bezeichnung oder worin liegt der Unterschied?

Der Unterschied liegt im Bildungsweg: Bibliothekare haben an einer Fachhochschule studiert und nehmen daher bibliothekarische Aufgaben wahr wie Auskunfts- und Beratungsdienst, Bestandsaufbau, Bestandserschließung, Öffentlichkeits- und Veranstaltungsarbeit. Fachangestellte für Medien und Informationsdienste (frühere Bezeichnung: Bibliotheksassistent) haben eine Ausbildung in der Stadtbücherei absolviert, arbeiten viel im Kundenbereich, unterstützen die Bibliothekare in ihrer Arbeit, übernehmen Verwaltungsaufgaben und üben eine Reihe praktischer Tätigkeiten aus.


Welche Besonderheiten und welche Entwicklungsmöglichkeiten sehen Sie für unsere Stadtbücherei?

Unsere Stadtbücherei ist eine Bildungs-, Kultur- und Freizeiteinrichtung, ein niederschwelliger, generationenübergreifender Treffpunkt für alle Hagenerinnen und Hagener. Als sogenannter „Dritter Ort“ (neben Zuhause und Arbeitsstätte) sind wir ein nichtkommerzielles Forum für Wissen, Lernen, Kommunikation und Begegnung. Diese Funktion wollen wir weiterhin stärken und jetzt und zukünftig einen unverzichtbaren Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität in Hagen leisten.


Ihr ganz persönlicher Tipp. Welches Buch sollte man unbedingt 2015 gelesen haben?

Dörte Hansen: Altes Land. Meine volle Empfehlung.



Liebe Frau Steffes, herzlichen Dank für das wunderbare Interview und dass Sie sich so viel Zeit für die Fragen, Antworten und die Fotos genommen haben!




Liebe Lesezeit-Leserinnen und -Leser,

und nun darf ich Euch Andrea Honickel vorstellen, eine der zahlreichen Mitarbeiterinnen der Stadtbücherei in Hagen. Andrea und ich kennen uns jetzt schon viele Jahre, haben wir doch sogar eine gemeinsame Zeit beim damaligen Kulturamt der Stadt Hagen verbracht. Von Andrea habe ich viel gelernt, was Veranstaltungsplanung und -organisation angeht.

Doch jetzt seid gespannt, was sie zu ihrer Arbeit in der Stadtbücherei zu sagen hat.





Was ist deine genaue Aufgabe hier bei der Stadtbücherei und überhaupt, was ist für dich persönlich das Besondere an der Arbeit in der Bücherei?

Auch wenn ich einen Grundkurs „Bibliothekarisches Grundwissen“ an der FH in Köln absolviert habe, übe ich doch (fast) keine Arbeiten dahingehend aus. Eine Ausnahme gibt es. Das sind die Zeiten, wo ich 2 Stunden täglich als Mitarbeiterin an den Informationstheken Besuchern und Nutzern helfe, die gewünschten Medien zu finden. Das war ein ganzes Stück Arbeit das zu lernen, , denn bei über 200.000 Medien und oft sehr speziellen Fragen z.B. zum Quilten, zum Text der Amerikanischen Verfassung, zur Facharbeit als Erzieherin, zum aktuellen Mietrecht , wie man sich am besten bewirbt oder zum letzten Roman der Autorin XY …. Da komme ich doch manches Mal ins Schwitzen. Aber wir haben so nette Kunden, gemeinsam finden wir alles. Meine Aufgabe bezieht sich auf all das, was nichts mit Büchern oder anderen Medien zu tun hat, aber doch alles mit der Zentralbücherei auf der Springe. Nach Absprache erarbeite ich Konzepte, tummel mich in Fördertöpfen, denke mir alle möglichen Maßnahmen aus, wie die Bücherei als ein Ort wahrgenommen wird, der viel mehr ist, als der Ort an dem man Bücher ausleiht. Durch Salsa- Abende oder Weinproben locken wir auch Besucher ins Haus, die vielleicht noch nie einen Fuß in die Bibliothek gesetzt haben.


Arbeiten in der Bücherei. Manch einer stellt sich das bestimmt als Paradies vor. Jeden Tagvon Büchern umgeben sein. Lesen während der Arbeitszeit oder ist die Arbeit eine ganze andere? Bei vielen Aktionen erkenne ich deine ganz persönliche Handschrift. Ähnlicher Job wie damals beim Kulturamt oder doch ganz anders?

Nein, während der Arbeitszeit ist nicht ein Minütchen Zeit zum Schmökern. Die Bibliothekare müssen natürlich ständig entscheiden, ob dieses oder jenes Buch in den Bestand aufgenommen wird und lesen viele Rezensionen oder Empfehlungen. Aber ich mache das (leider) nicht. Wie gesagt, ich verstehe meine Aufgabe mehr darin, die Stadtbücherei in den unterschiedlichsten Zusammenhängen ins Gespräch zu bringen, und mir viele kleine Puzzlesteine zu überlegen, den Besucher über die Presse, Radio Hagen über unseren monatlich erscheinenden Newsletter und vor allem über Veranstaltungen von unserem Angebot und unseren wunderschönen Räumlichkeiten zu überzeugen. Für unseren Geschmack wissen zu wenige, welches Potential unsere Musikbücherei hat, mit Schellackschätzchen und brandaktuellen MusikCDs, Jazz, Oper, Blues, Pop, Rock. Für jeden Geschmack ist was dabei. Aber was besonders toll ist: zwei Bibliothekare mit einer Zusatzausbildung Musik sind ein ungeheures kenntnisreiches Pfund, mit dem die Stadtbücherei seit einigen Monaten besonders wuchert. Das Netzwerk Musik bringt zur Zeit das geballte Hagener Musikleben unter einen Hut. Da findet schon jetzt ein reger Austausch statt, Ensembles kommen zu uns wenn sie Hilfe brauchen, verlegen ihre Chorproben öffentlich mitten auf einen Samstag in unsere Musikbücherei, machen Einführungsveranstaltungen zu ihren Chorkonzerten bei uns…. Mag sein, dass hier der Klassiker in der Kulturarbeit hervorblitzt.





Welche Bücher würde ich bei dir Zuhause im Bücherregal vorfinden?

Ich habe 80 Prozent meiner Bücher in gute Hände abgegeben. Bei mir zuhause findet man nur noch Ratgeber, Kunstbände, Reiseberichte, sonstige Bildbände und ganz besondere Bücher, mit denen ich eine persönliche Geschichte oder einen besonderen Menschen verbinde. Ansonsten bin ich der beste Kunde beim Kinderbuchtrödel. Kein Wunder bei inzwischen drei Enkeln. Da muss immer reichlich Nachschub her. Aber ich kann auf meiner Arbeitsstelle aus dem Vollen schöpfen. So alt kann ich gar nicht mehr werden, all das zu lesen, was mich interessiert. Aber im Regal bei mir zu Hause muss    ich die nicht mehr alle stehen haben.   


Welches Buch hat dich als Kind oder Jugendliche besonders in seinen Bann gezogen?

Tatsächlich hatte ich als Jugendliche den ersten absoluten Flow bei Leon Uris „Exodus“ der    „Unendlichen Geschichte“ von Michael Ende und „Herr der Ringe“ von Tolkien.


Welches Buch liest du aktuell?

Ich bin eine leidenschaftliche Krimileserin, aber bitte nur die aus dem Norden. Zur Zeit befinde ich mich im Anne Tyler Himmel, und versuche alles zu lesen, was sie geschrieben hat. So einfühlsam, ein wenig ironisch, genau beobachtend und so zum Glück nicht eine Minute langweilig.






Der persönliche Kontakt zu Autoren. Gibt es den in einer Stadtbücherei?

Aber ja. Ich bin organisatorisch der Kinderbücherei zugeordnet. Da hatte ich schon wunderbare kleine Begegnungen mit faszinierenden Kinderbuchautoren. Ansonsten haben wir bestimmt 6 Lesungen pro Jahr für die organisatorisch und inhaltlich eine andere Kollegin zuständig ist. Sabine Heinrich, Jan Weiler, Wladimir Kaminer, Gregor Weber… das waren Gäste in diesem Jahr. Auch wenn es oft bestimmt aufreibend ist, zählen diese Begegnungen sicherlich zu den Höhepunkten im Berufsalltag.   


Was wünschst du dir für die Stadtbücherei Hagen?

Ich wünsche mir für die Besucher, dass sie noch mehr als sie es schon tun einfach mal so ihre Stadtbücherei aufsuchen. Kaffee trinken, Zeitung lesen, in Büchern schmökern, sich wohl fühlen, die Stadtbücherei empfinden als einen Ort, der nicht kommerziell ist, eine hohe Aufenthaltsqualität hat, zentral liegt und zum Verweilen einlädt. Und wenn sie dann noch ein spannendes Buch ausleihen, umso besser. Aber das bedeutet, dass ich mir von den Entscheidern in der Politik wünsche, dass die    Bedeutung der Bücherei für die Stadt nicht abgelesen wird von reinen Ausleih- und Nutzerzahlen. Die Stadtbücherei Hagen ist der zentrale Ort in Hagen, wo Bildung in jedweder Facette vermittelt wird und wo innere und äußere Begegnungen ganz unvermittelt und unverhofft möglich sind. Aus unserer Sicht ein unverzichtbarer Bestandteil der Kultur-und Bildungslandschaft in Hagen. Daran darf nicht gerüttelt werden.


Dein ganz persönlicher Tipp. Welches Buch sollte man unbedingt gelesen haben?

Wie gesagt: Anne Tyler.   




Auch dir, liebe Andrea, ganz, ganz herzlichen
 Dank für das Beantworten der Fragen!





Liebe Lesezeit-Leserinnen und -Leser,

ich hoffe, Euch hat das neue Interview genauso
viel Spaß gemacht wie mir. Ich entwickele gerade die Idee,
daraus eine Reihe zu machen, eine Reihe
 "Menschen und Bücher".




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen