Samstag, 1. November 2014

Rezension zu "Der Zug der Waisen" von Christina Baker Kline

Vivian Daly, Tochter irischer Einwanderer, verliert bei einem Wohnungsbrand ihre gesamte Familie. Als Waisenkind wird sie mit vielen anderen Kindern in den Westen der USA geschickt. Sie fährt mit dem so genannten "Ophan Train". In den Bahnhöfen ist angeschlagen, wann die Züge einfahren. Menschen warten dort, um die Kinder zu betrachten. Zu betrachten wie Vieh. Die Jüngsten finden am schnellsten ein neues Zuhause. Kein neues Zuhause, wo sie liebevoll behandelt werden. Sie werden als Arbeitskräfte benötigt - auf den Feldern, in den Nähereien. Kein Lohn, keine Liebe. Wie Sklaven werden die Waisenkinder ausgebeutet. Vivian wird von einem kinderlosen Ehepaar aufgenommen und muss in der hauseigenen Näherei mitarbeiten. Sie erfährt Neid und Missgunst der anderen, die um ihre Arbeit fürchten, doch Vivian kämpft sich durch. Während der großen Wirtschaftskrise muss die Näherei schließlich alle Arbeiterinnen entlassen und schließen. Vivian wird zurück gegeben an die Organisation, die sich um die elternlosen Kinder kümmert. Anstatt endlich von einer liebevollen Familie aufgenommen zu werden, trifft es Vivian noch härter. Sie kommt in eine Familie, die von der eigenen Armut gebeutelt ist. Als der Mann der Familie sich an Vivian vergreifen will, gelingt ihr die Flucht. Sie flieht zu ihrer Lehrerin, die sie zwar nicht aufnehmen kann, sich aber um sie kümmert. Endlich erfährt das Mädchen Zuneigung und so etwas wie Liebe. Ihre Lehrerin kümmert sich auch darum, dass Vivian an ein Ehepaar vermittelt wird, bei denen sie es wirklich gut hat. 
Viele, viele Jahre später, Vivian ist inzwischen 91 Jahre alt, lernt sie die erst 17jährige Molly kennen. Molly, auch so ein ungeliebtes Menschenkind. Der Vater tot, die Mutter im Gefängnis. Molly hat schon mehrere Pflegestellen hinter sich. Sie hat es nicht leicht, fühlt sich ungeliebt und unverstanden. Als sie ein Buch aus der Bücherei stiehlt und erwischt wird, muss sie als Strafe mehrere Stunden Sozialdienst ableisten. Sie kommt zu Vivian, der sie helfen soll, ihren Dachboden zu entrümpeln. Doch anstatt sich von den unzähligen Dingen zu trennen, erkennt Vivian in den alten Sachen Erinnerungsstücke, gute, wie schlechte. Und schließlich erzählt sie Molly ihre Geschichte. 

"Der Zug der Waisen" - als ich von dem Buch erfahren habe, war mir sofort klar, dass ich es lesen muss und meine Erwartungen wurden übertroffen. Dieser Roman vermittelt auf tiefsinnige und doch unterhaltsame Weise ein Stück amerikanischer Geschichte, die mir bisher völlig unbekannt war. "Der Zug der Waisen" ist eine Geschichte, doch es ist die Geschichte vieler verwaister, verlassener und heimatloser Kinder hauptsächlich irisch-katholischer Einwanderer der ersten Generation, wie sie sich tatsächlich zugetragen hat. Kinder, die traumatische Erlebnisse hatten, die voller Hoffnung waren und doch nur wieder ausgenutzt wurden. 





Gebundene Ausgabe
Goldmann Verlag
352 Seiten
19,99 €

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